Alles nur heiße Luft?

Ein Gastbeitrag von Astrid Müller, Autorin von Hormonchaos. Viele Symptome eine Ursache, über den Zusammenhang von Reizdarm und Hormonhaushalt

In diesem Gastbeitrag möchte ich das Reizdarmsyndrom aus Sicht der Betroffenen schildern und über die möglichen Zusammenhänge mit Hormonmangel sprechen. Ich bin selbst betroffen und erhielt vor vielen Jahren die Diagnose Reizdarmsyndrom, die in meinem Buch Hormonchaos. Viele Symptome eine Ursache neben anderen Erfahrungsberichten zu lesen ist.

In diesem Artikel haben nun die Frauen das Wort, die die heiße Luft, die anhaltenden Blähungen, den Durchfall oder die Verstopfung aus eigener Erfahrung kennen.

Inhalt

Wie zeigt sich das Reizdarmsyndrom?

Unser Darm ist anders - Frauen und das Reizdarmsyndrom

Was haben Hormone mit unserer Verdauung zu tun?

Niemand vor den Gefahren von Hormonmangel

Wie zeigt sich das Reizdarmsyndrom?

An einem Reizdarmsyndrom zu leiden ist zwar nicht lebensbedrohlich, doch es schränkt die Lebensqualität erheblich ein. Vielleicht kennst du dieses Gefühl, regelmäßig einen aufgetriebenen Bauch zu haben und das damit verbundene eingeschränkte Wohlbefinden? Von meinen Leserinnen erhalte ich viele Zuschriften mit offenen Bekenntnissen zu ihren Bauchbeschwerden und medizinischen Befunden, die wie im Nebel stochern. Genauso wie ich, erhalten sie erst nach langwierigen diagnostischen Verfahren die Diagnose Reizdarmsyndrom.

Wenn die ersten Beschwerden auftreten, hoffen wir vermutlich alle, dass das Unwohlsein rasch wieder abklingen wird, dass uns irgendein Lebensmittel nicht bekommen ist und es dann wieder „gut“ sein wird. Leider ist das Gegenteil der Fall. Mit meinen Leserinnen Katja D., Sabine L. und Juliane T. habe ich über ihre Erfahrungen gesprochen, die sich nur wenig von meinen persönlichen unterscheiden.

„Mein Bauch ist täglich so dermaßen aufgebläht, dass er bis unter mein Herz drückt.“ Die Zweiunddreißigjährige Katja D. hat sich schon oft gefragt, ob sie sich das nur einbildet, oder ob ihr Blähbauch real ist. Bereits als sie in die Pubertät kam, war er ohne erfindlichen Grund dick und hart. Die „heiße Luft“, wie Katja sie nennt, ist bis heute ihre ständige Begleitung. Ich frage sie nach ihren konkreten Beschwerden und die junge Frau gibt ab, sich besonders in der Woche vor ihrer Periode wie aufgepumpt zu fühlen und manifeste Bauchschmerzen zu haben.

Es gibt Dinge, die kannst du nicht ändern – damit musst du leben!

Diesen Satz hörte Katja als Teenager von ihrer Mutter und glaubte ihren Worten. Inzwischen weiß sie, dass sie am Reizdarmsyndrom leidet und möchte daran etwas ändern. Wie vermutlich alle Betroffenen möchte Katja wieder gesund werden.

Auch Sabine L. schreibt mir, dass sie auf eine lange Historie von Beschwerden zurückblickt: „Als ich noch ein junges Mädchen war, fühlte ich mich wie ein Heißluftballon. Das war peinlich und uncool. Heute will ich zwar nicht mehr cool sein, aber ich fühle mich immer noch dick. Manchmal glaube ich, dass ich platze.“

Sabine ist in den späten Vierzigern und hat täglich Symptome. Besonders quälend seien diese, ähnlich wie bei Katja, vor ihrer Periode. Wobei ihr Blähbauch nur eines von vielen prämenstruellen Symptomen ist.

„In dieser Zeit bin ich sowieso total deprimiert und alles versinkt in Grau. Dann kann ich die Welt und das Theater in meinem Bauch kaum noch ertragen.“

Sabine erzählt mir, dass sie auch Rücken- und Kopfschmerzen habe und sehr schlecht schlafe.

Manchmal kann ich gar nicht einschlafen und liege bis tief in die Nacht wach. Ich bin dann morgens wie zerschlagen und weiß gar nicht, wie ich den Arbeitstag überstehen soll. Deshalb hat meine Ärztin mir angeboten, mir Schlaftabletten zu verschreiben.

Sabine bekam als Teenager zusätzlich Pickel und die Haut an den Beinen juckte. Deshalb habe sie früh angefangen, die Anti-Baby-Pille zu nehmen. Zumindest ihre Haut wurde besser und die Periode ist weniger schmerzhaft. Deshalb nimmt sie sie bis heute. Doch nach über dreißig Jahren ist Sabines Blähbauch immer noch da und er sei „schlimmer“ geworden.

„Jetzt stehen die Wechseljahre vor der Tür und ich habe Angst, dass mein Bauch mit seinem Reizdarm dann noch mehr eskaliert. Es ist sowieso schwierig, im Sitzen zu arbeiten, wenn ich so viel aufgestaute Luft im Bauch habe...“

Die vierundzwanzigjährige Juliane T. frage ich, ob sie mit ihrer Gynäkologin über ihren belastenden Blähbauch, den sie bereits als Teenager hatte, gesprochen habe.

„Das ist mir zu peinlich. Es sind ja ‘nur’ Blähungen, ‘heiße Luft’ eben und damit eine Lappalie.“ Wenn auch eine, die sehr wehtue, räumt die junge Frau ein.

Seit der Veröffentlichung meines Buches, suchen Frauen wie Juliane T., Katja D., Sabine L. den Austausch mit mir. Für mich war das Reizdarmsyndrom eine von vielen Diagnosen, die mir meine Andersartigkeit bescheinigte. Ich war nicht normal und fühlte mich immer zu dick, obwohl ich schlank war. Julia, Katja und Sabine ergeht es ähnlich.

Überhaupt erkranken Frauen viel öfter und anders als Männer am Reizdarmsyndrom. Es ist schwer, sich des negativen Selbstbildes aus „heißer Luft“ zu erwehren. Frauen fühlen sich umso weniger attraktiv und begehrenswert, je geblähter ihr Bauch ist. Das kann die Freude am eigenen Körper zur Herausforderung machen, oder in anderen Worten: Das Reizdarmsyndrom führt bei uns Frauen häufig zum sogenanntem Body-Shaming. Wir schämen uns für unser Äußeres, was für Außenstehende in aller Regel unsichtbar ist. Wir diskriminieren uns, weil wir einen aufgetriebenen Bauch und Blähungen haben und mobben uns dafür selbst.

Unser Darm ist anders - Frauen und das Reizdarmsyndrom

Mehr als 70% der Menschen mit der Diagnose Reizdarmsyndrom sind Frauen. Häufig reicht die Historie unserer Beschwerden bis in unsere frühe Jugend und Pubertät zurück. Auch weisen unsere Bäuche eine regelrecht eskalierende Symptomatik vor und während der Menstruation auf. Davon konnte ich zwanzig lange Jahre Arien singen.

Tatsächlich konnte ich an den Tagen vor meinen Tagen vor Schmerzen kaum noch sitzen. In meinem prämenstruell geschwollenen Bauch drückte die „heiße Luft“ auf alle anderen Organe.

Es fällt auf, dass zahlreiche Frauen, die Hormonpräparate wie die Anti-Baby-Pille einnehmen, die typischen Beschwerden eines Reizdarmsyndroms zeigen. Etliche meiner Leserinnen erzählen mir, überhaupt erst an einem Blähbauch zu leiden, seit sie die Anti-Baby-Pille einnehmen. Allerdings scheint das bei der Diagnostik ihrer Darmbeschwerden keine Rolle zu spielen. Viele Frauen werden bei der Diagnostik gar nicht gefragt, ob sie hormonell wirksame Verhütungsmittel verwenden. Das erstaunt besonders deshalb, weil die Gewebshormone, die sogenannten Prostaglandine, die bei der Einnahme der Pillen unterdrückt werden, was zu Blähungen, Durchfall und allgemeinen Bauchbeschwerden (Apothekenumschau/ Beipackzettel 2023), eben jenen Symptomen, die mit dem Reizdarmsyndrom assoziiert werden, führen kann.

Bei der Ursachenforschung für den Reizdarm sind aus meiner Sicht hormonhaltige Verhütungsmittel wie die Anti-Baby-Pille und ihre möglichen Nebenwirkungen mit einzubeziehen.

Was haben Hormone mit unserer Verdauung zu tun?

Eine Menge. Sind sie aus dem Lot, wird unsere Verdauung beschwerlich oder übereifrig. Unsere Sexualhormone haben großen Einfluss auf unsere Verdauung und auf einen möglichen Reizdarm – so viel wird sowohl von der Wissenschaft als auch von den behandelnden Therapeut:innen eingeräumt.

Doch das erscheint mir zu wenig. Deshalb stelle ich die aus meiner Sicht zentrale Frage: „Wie steht es um die Sexualhormonspiegel der jeweiligen Frauen und der seltener betroffenen Männer mit Reizdarmverdacht?“

Daraus leiten sich weitere Fragen für die Diagnostik ab:

  1. Werden Hormontests von den behandelnden Ärzt:innen in Erwägung gezogen? 

  2. Wenn der Hormontest Progesteronmangel nachweist: Wird dieser Hormonmangel ursächlich in die Diagnosestellung Reizdarmsyndrom miteinbezogen? 

  3. Wenn der Hormontest bei Frauen (z.B. vor und in den Wechseljahren) Östrogen- UND Progesteronmangel nachweist: Wird dieser Sexualhormonmangel ursächlich in die Diagnosestellung Reizdarmsyndrom miteinbezogen? 

  4. Werden Hormonmangelbefunde überhaupt zum Anlass genommen, das Hormondefizit ursächlich zu behandeln?

In meinem Fall leider nicht. In unmittelbarer Folge einer schweren Lebensmittelvergiftung litt ich an ausgeprägten Bauchbeschwerden und täglichen Fieberschüben. Vermutlich ist dieses verdorbene Essen der Auslöser für meinen Reizdarm gewesen.

Doch die Ursache ist eine ganz andere, wie ich seit einiger Zeit weiß. Ich bin das, was die Reizdarmforschung für unmöglich hält, nämlich vollständig geheilt. Unbeabsichtigt und wie im Vorbeigehen hatte eine Therapie, die gar nicht auf meinen Darm abzielte, Erfolg: Die Behandlung mit bioidentischen Hormonen, mit denen ich meine Wechseljahresbeschwerden behandelte. Der unglaubliche Nebeneffekt ließ meinen Reizdarm in weniger als achtundvierzig Stunden vollkommen ausheilen.

Motiviert von diesem Therapieerfolg begann ich intensiv zu recherchieren. Ich fand heraus, wie vielfältig die Funktionen unserer Sexualhormone in unserem Körper sind. Gleichzeitig offenbarte sich mir ein großes Wissensdefizit in der Medizin über Hormongesundheit. Am Beispiel des Sexualhormons Progesteron wird dies besinders deutlich. Immer mehr Menschen haben Progesteronmangel ohne es zu wissen.

Fehlt uns Progesteron werden wir krank, denn das Hormon wirkt regulierend auf unser Nerven- und Immunsystem, unsere Verdauung und mögliche Entzündungen. Progesteron ist ein natürliches Antidepressivum, wirkt wie ein Schmerzmittel, schützt vor bösartigen Neubildungen und ist für unseren gesunden Schlaf ausgesprochen wichtig.

Dass die Aufgaben unserer Sexualhormone Progesteron, Östrogen, Testosteron und ihre Vorläufer weit über die Regulierung unserer Fruchtbarkeit und Sexualität hinausgehen, weiß ich aus eigener Erfahrung. Neben anderen unerklärlichen Erkrankungen hatte ich regelmäßig eine Woche vor meiner Periode eine akute Magenschleimhautentzündung, Gelenkversteifungen und massive Muskelverhärtungen. Auch meine Reizdarmsymptome nahmen in dieser Zeit dramatisch zu. Ich hatte massive Probleme einzuschlafen. Trotzdem wurde kein hormoneller Zusammenhang zu meinen Beschwerden hergestellt. Erst nach zwanzig Jahren offenbarte sich mit meinem Hormondefizit die wahre Ursache all meiner Beschwerden inklusive meines Reizdarmsyndroms.

Niemand warnt vor den Gefahren von Hormonmangel

Ähnlich wie Katja, Sabine und Juliane habe ich während meiner Suche viel gelernt und experimentierte mit verschiedenen heiltherapeutischen Anwendungen, Ernährungsformen und Diäten. Damit wurden kurzfristig meine Symptome gelindert, doch gesünder wurde ich nicht. Ähnlich ergeht es meinen Leserinnen. Sie lassen sich mit der dazugehörigen Disziplin und deutlichem Aufwand auf verschiedene Ernährungsformen ein. Viele Jahre lang praktizieren sie einen vorbildlich gesunden Lebensstil und hörten dabei ähnliche Ratschläge wie ich.

Die Ärzt:innen mahnen, Stress, Bewegungsarmut, einseitige Ernährung und Alkohol- und Nikotinmissbrauch zu vermeiden. Aber bis heute warnt niemand vor den Gefahren von Hormonmangel.

Katja, Sabine, Juliane und andere Leserinnen meinen, lange genug „heiße Luft“ im Bauch gehabt zu haben. Was, wenn es die fehlenden Hormone sind? Sie wünschen sich einen Hormontest, der ihnen über einen möglichen Mangel Auskunft gibt. Sie werden ihren Hormonstatus unter die Lupe nehmen und wenn nötig, eine Therapie mit bioidentischen Hormonen beginnen.

Genau das ist es, was ich mit meinem Buch Hormonchaos. Viele Symptome eine Ursache erreichen möchte: Mit den Erfahrungen anderer Betroffener möchte ich Menschen mit hartnäckigen, scheinbar unerklärlichen Beschwerden inspirieren. Ich möchte Frauen wie Katja, Sabine und Juliane für ihre Hormongesundheit sensibilisieren und einen natürlichen Weg aus dem Hormonchaos weisen.

Was ist mit dir? Hast du deine Hormone testen lassen? Wenn du Fragen dazu hast, melde dich bei Astrid oder Irene.

Astrid Müller liest aus ihrem Buch Hormonchaos. Viele Symptome eine Ursache:

Am 09.11.2023, Wolfdietrich-Schnurre-Bibliothek, 18:00 - 19:30, Bizetstraße 41, 13088 Berlin

Am 17.11.2023, BewegungsRaum Praxis Dr. Schulz, 19:00 - 20:30, Antwerpener Str. 3, 13353 Berlin

Am 23.11.2023, Krimisalon der Bruno-Lösche-Bibliothek, 19:30 - 21:00, Perleberger Str. 33, 10559 Berlin

Am 28.11.2023, Heimatmuseum, Volkshochschule Ahlen, 19:00 - 20:30, Wilhelmstr. 12, 59227 Ahlen, NRW

Astrid Müller mit ihrem Buch HOrmonchaos: Viele Symptome - eine Ursache

Über die Autorin

Astrid Müller lebt und arbeitet in Berlin. Die Gesundheitswissenschaftlerin und Sozialpädagogin schreibt Bücher und Kurzgeschichten, lektoriert Romane und Sachbücher und coacht angehende Autor:innen. 2017 erschien ihr erstes Buch Erleuchtung für Zweifler. Eine spirituelle Reise nach Thailand, Laos und Kambodscha im Traveldiary Verlag, sowie ihre Kurzgeschichte Elternmord in der Anthologie des FDA Berlin e.V.. Im selben Jahr gelangte ihre Story Bullyblues auf die Short- und Flammkuchen 2021 auf die Longlist des Deutschen Kurzgeschichtenwettbewerbs. 2021 erhielt sie für ihr Romandebüt das Neustart Kultur Stipendium. Ihr neues populäres Sachbuch Hormonchaos. Viele Symptome eine Ursache ist ihre persönliche Herzensangelegenheit und im Frühjahr 2023 im Facultas Verlag/Edition Maudrich erschienen. Astrid Müller klärt über Hormongesundheit auf und setzt sich aktiv für die Enttabuisierung der Wechseljahre ein.

Irene Rosinski

Als ausgebildete und zertifizierte Ernährungsberaterin und Gesundheitscoach lege ich meinen Fokus auf die Beratung bei Autoimmunerkrankungen sowie chronischen Entzündungen. Da ich selbst die Autoimmunkrankheit Hashimoto und div. Unverträglichkeiten habe, weiß ich, was es heißt, damit umgehen zu müssen.

Daher findest du in meinem Ernährungsmagazin zum einen Rezepte, die zuckerfrei, glutenfrei und milchfrei sind und zudem entzündungshemmend wirken, um deine Gesundheit zu unterstützen. Und zum anderen findest du viele Informationen und Wissenswertes rund um Autoimmunkrankheiten sowie chronische Erkrankungen und wie du mit Ernährung und entsprechender Bewegung, wieder zu mehr Wohlbefinden und Lebensqualität im Alltag kommst.

Zurück
Zurück

5 Tipps, wie du dauerhaft in die Ernährungsumstellung kommst

Weiter
Weiter

Reizdarm-Syndrom - eine unbestimmte Erkrankung?