Stress - warum er Auslöser von Autoimmunerkankungen ist

Lange galt das Immunsystem als ein unabhängiges System. Inzwischen wurde nachgewiesen, dass es sowohl mit dem Darm als auch mit dem Hormon- und Nervensystem in engem Austausch steht und alle Systeme miteinander arbeiten. Daher reagiert der Körper auch bei Stress mit all diesen Systemen, die zusammen als Stress-System bezeichnet werden. 

Jede von uns kennt Stress. Wir alle haben schon Situationen erlebt, die wir als stressig erfahren haben. Doch geht jede anders damit um. Denn das, was du als Stress wahrnimmst und was nicht, ist sehr individuell. Wie sich Stress auf den Körper und auf die Psyche auswirkt und welchen Einfluss das auf dein Immunsystem hat, erläutere ich in diesem Artikel.

Inhalt

Was ist Stress? 

Wie reagiert unser Körper auf Stress? 

Stress als Auslöser für Autoimmunerkrankungen

5 Tipps zur Stressbewältigung

Was ist Stress?

Aus evolutionärer Sicht ist eine Stressreaktion dafür gedacht, den Körper kurzfristig auf eine Gefahrensituation vorzubereiten.

Aus psychologischer Sicht ist Stress eine körperliche und psychische Reaktion auf eine als herausforderde bzw. eine scheinbar nicht zu bewältigende wahrgenommene Situation. Stress im Allgemeinen kann durch unterschiedliche Faktoren, sogenannte Stressoren, ausgelöst werden. Auslöser in unserer Gesellschaft sind heute nicht mehr der Säbelzahntiger oder zu wenig Nahrung, sondern meist psychische Reize wie Überforderung oder Unterforderung um Beruf, Zeitdruck, soziale oder berufliche Konflikte, persönliche bzw. familiäre Probleme. Daneben haben physische Stressoren wie z.B. Hitze, Kälte, Allergien, Lärm, Straßenverkehr oder Umweltgifte einen Einfluss.

Wenn du Stress erfährst, geht dein ganzer Organismus in Alarmbereitschaft und stellt sich auf eine erhöhte Leistungsbereitschaft ein. Dabei arbeitet das ganze Stresssystem in deinem Körper.

Hinzu kommt ein weiterer Aspekt: Wie ich mit bestimmten Situationen umgehe und mich anderen gegenüber verhalte, bestimmt auch den Grad meines empfundenen Stresslevels!

Die gleiche Situation kann von mehreren Menschen komplett unterschiedlich wahrgenommen werden, als wenig stressig bis hin zu extrem stressig.

Wie reagiert unser Körper auf Stress?

Diese Reize bzw. Stressoren werden von den Sinnesorgane Augen, Ohren oder Nase wahrgenommen und an bestimmte Areale im Gehirn weitergeleitet, die diese Reize analysieren und bewerten. So z.B. die Amygdala, das Angstzentrum unseres Gehirns. Sie wird aktiviert, wenn unser Gehirn eine neue Situation als potenziell gefährlich interpretiert.

Als Reaktion auf bedrohliche Reize regt die Amygdala die Produktion der Hormone Cortisol und Adrenalin an. In den Nebennierenrinden wird Noradrenalin und Cortisol gebildet. Hormone, die ausgeschüttet werden, wenn wir unter Stress stehen. Damit unterstützt der Körper eine vermeintlich bevorstehende Höchstleistung, was dafür sorgt, dass

  • der Blutdruck steigt,

  • die Muskeln sich anspannen,

  • die Pupillen sich weiten,

  • die Atmung wird schneller und flacher.

  • Die Sinnesorgane sind geschärft.

  • Die Verdauung wird eingestellt und das Hungergefühl unterdrückt.

Das Cortisol stellt dem Körper einerseits Energie zur Verfügung, indem es den Blutzuckerspiegel erhöht und Fettsäuren ins Blut schleust. Anderseits unterdrückt es die Immunabwehr. D.h. Abwehrreaktion potenziell krank machender Viren und Bakterien wird auf später verschoben.

Sobald die Stressreaktion vorüber ist, reguliert die Amygdala die Hormonmenge wieder, pendelt sich der Hormonspiegel ein, der Stoffwechsel und alle Körperfunktionen kehren in ihren Normalzustand zurück.

Bei Stress unterscheidet man zwischen dem sogenannten Distress und dem Eustress. Letzteres wird als positiver Stress bezeichnet. Denn Stress kann durchaus auch als positiv erlebt werden. In bestimmten Situationen beflügelt er und gibt den nötigen Energieschub, um eine Aufgabe oder Herausforderung zu meistern, bspw. beim Wettkampf oder eine neue spannende berufliche Aufgabe.

Distress hingegen ist negativer Stress. Es sorgt für Anspannung und Gereiztheit sowie Erschöpfung. Und ist der Stress von Dauer, über Wochen oder Monate, oder gibt es Situationen, die immer wieder als überfordernd wahrgenommen werden, ist der Körper permanent in Alarmbereitschaft. Das kann ernsthafte gesundheitliche Folgen haben. Denn dann ist der Körper permanent im Ausnahmezustand und das erklärt auch den gesundheitlichen Zustand vieler: ständige Müdigkeit und sich abgeschlagen fühlen, häufig krank sein, schlechter Schlaf usw.

Stress als Auslöser für Autoimmunerkrankungen

Während kurzfristiger Stress uns aktiver und leistungsfähiger macht, damit wir Herausforderungen bewältigen können, lässt uns dauerhafter psychischer Stress krank werden.

Wenn auf eine kurze stressige Phase eine Erholungsphase folgt, kann sich der Körper erholen und das nötige Gleichgewicht wiederherstellen. Hält der Stress jedoch an - sei durch eine belastende Arbeit oder Beziehung oder auch zuviel Sport - kann es u.a. zu Dysbalancen im Hormonhaushalt und der Verdauung führen. Und das kann in einer chronischen Erkrankung bzw. einer Autoimmunkrankheit münden. Viele von uns kennen Stresssymptome wie Erschöpfung, Überforderung, Ärger, Angstgefühle oder Reizbarkeit. Doch anstatt den Auslöser anzugehen, bewegt uns Stress dazu, Bewältigungsmuster zu entwickeln, die uns nicht gut tun.

Auf körperlicher Ebene führt dauerhafter Stress zu verschiedenen Magen-Darm-Beschwerden (Sodbrennen, Durchfall, Verstopfung, Entzündungen bis hin zu Magengeschwüren), Hautausschlägen, Neurodermitis, Muskelverspannungen, Zähneknirschen und Kieferschmerzen, Kopf- oder Rückenschmerzen, Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Das Immunsystem reagiert in stressigen Situationen oder Lebensphasen, indem es vermehrt bestimmte Botenstoffe (z.B. Steroidhormone) ausgeschüttet, um bestimmte Immunzellen anzuregen, die eine Entzündungsreaktion im Körper hervorrufen. Damit wird auch die Aktivität von Lymphozyten angeregt. Das sind die weißen Blutkörperchen, die Erreger erkennen und unschädlich machen.

Wenn das dauerhaft geschieht, wirkt das entzündungsfördernd. Denn das Immunsystem lenkt diese Abwehrreaktion allmählich auf sich selbst.

Es wird fehlgeleitet und beginnt, körpereigene Zellen anzugreifen.

 Was im Falle von Krankheiten notwendig ist, um Erreger abzutöten, kann uns auf Dauer krank machen. 

Auf psychischer Ebene führt chronischer Stress zu Depressionen, Burnout, Angst- und Essstörungen, Schlafmangel. Mögliche Alarmsignale sind ständige Müdigkeit, Schlafstörungen, Erschöpfung, Reizbarkeit, Ängste und sozialer Rückzug.

Darüber hinaus hat die Psychoneuroimmunologie festgestellt, dass einige immunologische Veränderungen, die Autoimmunerkrankungen auslösen, denen von pathophysiologischen Vorgängen bei einer Posttraumatischer Belastungsstörung gleichen. Also, einer durch eine psychische Belastung hervorgerufene Erkrankung.

Stress löst emotionalen Hunger aus

Chronischer Stress führt zudem zu Essen ohne tatsächlichem körperlichen Hunger.  Ein Grund dafür ist ein zu hoher Cortisolspiegel, der im Übermaß Heißhunger auslöst. Du isst zu viel und gerade Süßes oder ungesundes “schnelles Essen”. Ein Teufelskreis entsteht! Du nimmst zu und isst aus Frust noch mehr. Diese übermäßige, unausgewogene, einseitige Ernährung führt zu einem Ungleichgewicht im Darm und schädigt die Zellwände. In der Folge muss das Immunsystem sehr viel mehr arbeiten und ist in einer Dauerbelastung - im Dauerstress. 

Stress kann dazu führen, dass man sich schlechter ernährt oder zu abhängig machenden Mitteln wie Alkohol, Zigaretten und Zucker greift. Dieses Verhalten löst ebenfalls Stressreaktionen im Körper aus. Es entwickeln sich dann Entzündungsherde im Körper, die chronisch werden und somit eine Autoimmunerkrankung auslösen können.

Andererseits ist es möglich, dass ein noch unentdeckter Entzündungsherd, wie z.B. eine Autoimmunerkrankung, die Entzündungsprozesse im Körper fördert. Viele Menschen erleben das als Stress, weil sie oft müde und erschöpft und den täglichen Anforderungen nicht mehr gewachsen sind, die Ursache dafür aber nicht klären können.

Eine weitere Studie konnte aufzeigen, dass ein Anti-Stress-Training bei Multiple Sklerose-Patient:innen die Krankheit tatsächlich zu bremsen schien. Bereits nach einem halben Jahr stellten die Forscher:innen fest, dass die Teilnehmer:innen, die das Training bekommen hatten, weniger Entzündungen im Gehirn hatten. Offenbar gibt es einen Zusammenhang

Mit den klassischen wissenschaftlichen Methoden ist es schwierig, den Einfluss von Stress auf die Entwicklung einer Autoimmunerkrankung exakt nachzuweisen. Hier stößt die Forschung des jungen Feldes der Psychoneuroimmunologie in die Lücke. Denn mit ihren neuen Ansätzen und Studien kann sie einen Zusammenhang zwischen psychisch erlebten Stress und erhöhten Entzündungsmarkern im Körper herstellen.

Die folgenden Risikofaktoren zeigen auf, ob du eine Prädisposition für Autoimmunerkrankungen hast:

▪ Insbesondere Frauen haben ein höheres Risiko, an einer Autoimmunerkrankung zu erkranken.

▪ Verschiedene Autoimmunerkrankungen treten typischerweise in verschiedenen Altersgruppen auf. Die meisten manifestieren sich allerdings im Kindes- oder frühen bzw. mittleren Erwachsenenalter.

▪ Die Wahrscheinlichkeit, an einer Autoimmunerkrankung zu erkranken, erhöht sich, wenn in der Familie eine genetische Prädisposition vorliegt.

▪ Umweltfaktoren: Manche Medikamente (z. B. Procainamide oder Hydrolyzine), aber auch bestimmte Metalle (Quecksilber, Gold und Silber) stehen im Verdacht, zur Entstehung von Autoimmunerkrankungen beizutragen.

▪ Bakterielle und / oder virale Infektionen stellen einen Risikofaktor dar.

▪ Studien weisen klar darauf hin, dass Stress zur Entstehung einer Autoimmunerkrankung und zur Krankheitsverschlechterung bei Menschen mit einer Autoimmunerkrankung führt. Ebenso könnten frühkindliche Traumata an der Entstehung beteiligt sein.

Fazit: Chronischer Stress ist ein Kofaktor bei der Entstehung von Autoimmunerkrankungen

5 Tipps zur Stressbewältigung

Auf jeden Fall schützen vorbeugende Maßnahmen sowie begleitende Anti-Stress-Maßnahmen, um die Autoimmunerkrankung vorzubeugen bzw. in Schach zu halten, wie das Beispiel der Multiple Sklerose-Patient:innen gezeigt hat.

  • Am Wichtigsten ist, dass du zunächst anerkennst, dass dein Stresslevel dauerhaft erhöht ist.

  • Im nächsten Schritt, solltest du herausfinden, welche Möglichkeiten du zu Stressbewältigung du hast.

  • Oder aber wie du den Stressor abstellen kannst.

Das können schon Kleinigkeiten sein. Wenn du dir z.B. regelmäßig Auszeiten bzw. kurze Pausen nimmst. Das ist unglaublich wichtig für dein eigenes Wohlbefinden! Denn so kannst du Kraft tanken und bist dann auch wieder fit für die Menschen um dich herum, deine Familie, Kinder, Partner:in, Freunde, Kollegen usw. Im folgenden liste ich 5 Tipps auf, mit denen du Stress begegnen kannst:

  1. Jeden Tag eine kleine Auszeit nehmen, wenn es dir zuviel wird, auch wenn es nur 5 Minuten sind.

  2. Kurze Atemübungen, wie z.B. die 4-7-8-Methode (4 Zähler einatmen, 7 Zähler Luft anhalten, 8 Zähler ausatmen)

  3. Meditationen: es gibt wunderware (auch kurze) geführte Meditationen als Podcasts (wenn du Tipps brauchst, schreib mich gern an)

  4. Spaziergang, z.B. am Wasser oder im Wald

  5. Moderates Training (dreimal pro Woche): z.B. 30 bis 45 Minuten moderates Laufen oder zügiges Gehen, Radfahren oder Schwimmen und auch regelmäßige Kurse, wie z.B. Aquafitness, Tai Chi, Yoga oder Pilates wirken entspannend, denn generell wirkt Sport entzündunghemmend!

Manchmal bedarf aber es weitreichender Veränderungen, je nachdem, woher der Stress kommt:

  • eine Aussprache mit Kollegen, eine andere Arbeitsverteilung,

  • ein Gespräch mit der Partner:in oder einem Familienmitglied

  • Termine und Verpflichtungen absagen, um wieder zu Kraft zu kommen

Und manchmal bedarf es auch einer Trennung:

  • von der Freundin, die dich mit negativen Kommentaren runterzieht

  • ein Partner, der dich klein macht

  • ein Jobwechsel aus einem ungesunden Arbeitsverhältnis oder

  • ein Wohnungswechsel aus einer ungesunden Umgebung

All das will gut überlegt und auch geübt werden. Die ungesunden Bewältigungsmuster wieder loszuwerden, dauert auch eine Zeit und bei vielen kannst und solltest du dir Unterstützung holen, aus deinem Netzwerk oder auch von professionellen Menschen, die dich ein Stück begleiten.

Chronischer Stress hat auch bei mir eine Rolle beim Ausbruch meiner Autoimmunerkrankungen gespielt. Ich weiß also, wovon ich hier schreibe, denn auch ich habe mich aus einem für mich ungesunden Arbeitsverhältnis gelöst und mein Arbeitspensum heruntergeschraubt. Ich habe einen Partner verlassen, weil die Beziehung nicht mehr für mich funktioniert hat, und eine Freundin, der ihre Prinzipien wichtiger waren, als die Freundschaft zu mir.

Ich sage Termine ab, wenn es mir zuviel wird. Ich nehme mir bewusste Auszeiten, ich mache Atemübungen, regelmäßig Sport und meditiere. Ich bin gelassener geworden und kann Dinge einfach annehmen, ohne mich ewig darüber zu ärgern. Auch das zählt zur Stressbewältigung!

Also, wenn du Fragen zu dem Thema hast, schreibe mir gerne eine E-Mail.

Mehr zu den Ursachen und Auslösern von Autoimmunerkrankungen kannst du in meinem Blogartikel Autoimmunerkrankungen - wenn sich das Immunsystem gegen den eigenen Körper richtet nachlesen. 

Quellen:

  • Biesalski et al.: Ernährungsmedizin, S. 65-75, 5. Auflage, 2018

Irene Rosinski

Als ausgebildete und zertifizierte Ernährungsberaterin und Gesundheitscoach lege ich meinen Fokus auf die Beratung bei Autoimmunerkrankungen sowie chronischen Entzündungen. Da ich selbst die Autoimmunkrankheit Hashimoto und div. Unverträglichkeiten habe, weiß ich, was es heißt, damit umgehen zu müssen.

Daher findest du in meinem Ernährungsmagazin zum einen Rezepte, die zuckerfrei, glutenfrei und milchfrei sind und zudem entzündungshemmend wirken, um deine Gesundheit zu unterstützen. Und zum anderen findest du viele Informationen und Wissenswertes rund um Autoimmunkrankheiten sowie chronische Erkrankungen und wie du mit Ernährung und entsprechender Bewegung, wieder zu mehr Wohlbefinden und Lebensqualität im Alltag kommst.

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Veganer, gluten- und zuckerfreier Bananenkuchen

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Was ist entzündungshemmende Ernährung und was kann sie?